Wertstoffhof
für Ensemble.
Auftragswerk für "Ein Tag für Gerhard Stäbler '70". Gefördert durch die Kunststiftung NRW.
Kommentar
Wertstoffhof für Ensemble schreibt eine Werkgruppe fort, die mich schon länger beschäftigt und die sich mit Verwaltungsbegriffen in ihrer ganzen Vieldeutigkeit befasst. Der Titel nimmt aber außerdem auch Bezug auf die "Müllfahrer von San Francisco", denen das gleichnamige Stück von Gerhard Stäbler ja gewidmet ist. Als ich darüber nachdachte, was die Arbeit von Gerhard für mich spezifisch an Gehalten transportiert, so fiel mir erstmal eine Grundhaltung ein, die ich an ihm immer bewundert habe, und die ich mit einer freundlichen, gelassen-kämpferischen Beharrlichkeit, potenziell alles zur Kunst zu machen, beschreiben möchte. So lag der Gedanke nahe, in "Wertstoffhof" alles Mögliche an Materialsplittern einfließen zu lassen; neben Geräuschhaftem und pantomimischem Gestenrepertoire auch musikhistorisch kontaminierten "Sondermüll" in Form von tonale Assoziationen aufrufenden Intervallen oder Klangverbindungen. Der zunächst verwendete Arbeitstitel "Sortierschleife", eine Vorrichtung, die Müll an den Eingängen der Wertstoffhöfe vorsortiert, spielte sicherlich eine Rolle für die in sich kreisende und häckselnde Gestaltung der Form. Eine besondere Rolle kommt den Pauken zu, die mit ihrer Klangqualität eine Art auratische "Wertigkeit" von Kunstmusik des 19. Jahrhunderts ausdrücken mögen, hier aber von allen möglichen Filterungen, (akustischen) Abfällen und konkreten Materialien im wahrsten Sinne des Wortes verdeckt werden. So entstand eine Art Konzert für vergebliche Solopauken und Ensemble. Der Paratext einer pantomimischen Einlage von Streichern und Dirigent*in hat einen (fast unhörbaren) Bruckner-Ausschnitt zur Grundlage und greift so eine Geschichte auf, die mir Gerhard über seine Studienerfahrungen mit Bruckner erzählt hat. Der Teil steht aber gleichwohl hoffentlich für sich - als stumm-absurde Fortschreibung dessen, was wir in unserer täglichen akustischen Sortierarbeit vornehmen (müssen).
Aufführungen
UA 28.09.2019 im Rahmen von "Ein Tag für Gerhard Stäbler '70", Kunstation St. Peter Köln
Internationale Ensemble Modern Akademie, Musashi Baba (Leitung)
Presse
"Nicolas Kuhn integiert in seinem "Wertstoffhof" Pantomimisches mit Akustischem, was verdeutlicht, dass alle Aktionen integrale Bestandteile des Musikmachens und in jedem neuen Werk Sondermüll und Altstoffe zu entdecken sind. Kuhn schenkt uns die Einsicht, dass Kunst immer Aktion ist und nicht nur Performances die Rhetorik der Bühne beanspruchen."
Karl Ludwig // musiktexte